Ein kleines Buch mit dem Titel „Besuch auf dem eigenen Stern“ hat seinen Weg in die Stadtbücherei Lengerich gefunden. Der Autor dieser Schrift nennt sich „Novártes“, ein Synonym wie sich beim näheren Betrachten herausstellt, denn dahinter verbirgt sich der ehemalige Lengericher Dr. Hartmut Schneider.

Er lässt die Freunde Alexander Astero und Michael Meinder in sonntäglichen Spa­ziergängen das schwierige Thema vom Ursprung des Universums erörtern. Die Be­griffe des Raumes, der Zeit, der Relativität, des Nichts und der Unendlichkeit spielen in ihren Überlegungen eine große Rolle. Sind sie doch Schlüsselbegriffe für die Erklärung des Universums und der Erde.

Diesem Erzählerduo wird ein kosmisches Forscherpaar gegenübergestellt, das sind Chi und Psi, die auf einem Stern im Universum beheimatet sind und die seit län­gerem die Population auf dem Planeten Erde untersuchen.

Meinder und Astero geraten in ihr näheres Blickfeld und können gelegentlich die beiden kosmischen Forscher mit ihren wissenschaftlichen Spekulationen über­raschen. Chi und Psi hoffen einen Schlüssel zum Verständnis ihrer eigenen Zivi­lisation zu bekommen, da sich die Erdpopulation noch auf einem vergleichsweise niedrigen Entwicklungsniveau befindet.

Zunächst sei dem Autor das Kompliment gemacht, dass er anschaulich und ver­ständlich, in gepflegtem Deutsch diesen schwierigen Gegenstand seinem Publikum erklärt. Er begnügt sich nicht damit, nur Bekanntes zu referieren. Er greift zwar darauf zurück, überschreitet dann aber diese Grenzen und entwirft eigene Denk­modelle.

Bezug nimmt der Autor gelegentlich auch auf Stephen Hawking, wenn er das auch nicht näher ausführt, und ebenso deutet er einen entfernten Vergleich mit Gaaders „Sophies Welt“ an.

Seine kosmologischen Betrachtungen beginnen mit dem Schöpfungsakt der Bibel und des Koran. Der nordische Schöpfungsmythos der jüngeren Edda schließt daran an. Die Entstehung der Welt aus dem Nichts heraus durch einen Gott oder durch mehrere Götter ist allen Religionen gemeinsam. Gott hat nach diesem Modell auch die Zeit erschaffen.

Dem gegenüber steht ein materialistisch-dialektisches Schöpfungsverständnis als ein fortschreitender Prozess ohne Anfang und Ende. Die Hinduisten und Buddhisten wiederum sehen die Welt und das Leben der Menschen als einen ewigen Zyklus, von Werden und Vergehen, der einzig durchbrochen werden kann von Einzelseelen, die in das Nichts und damit in das Nirwana eingehen. Der Autor dagegen begreift die Entstehung und Veränderung des Universums und der Welt als einen Prozess aus sich dynamisch fortentwickelnden Spiralen, die fortschreitend Neues erschaffen.

Chi und Psi nehmen immer wieder Bezug auf die Gedankengänge von Meinder und Astero, dies aber nur ganz allgemein ohne sich auf Einzelfragen einzulassen. Das wird schon in den Textpassagen deutlich, stellt man sie, rein vom Umfang her betrachtet, einander gegenüber. Meinder und Astero stehen sich als Gesprächs­partner auch nicht wirklich konstruktiv zur Seite. Dazu müssten beide eine viel unabhängigere und auch kritischere Haltung einnehmen und auch mal abweichende Positionen vertreten.

Das soll den Wert des Buches aber keinesfalls mindern. Der Autor bedient sich einer klaren und logisch strukturierten Sprache. Das ist sehr wohltuend, bedeutet aber nicht, das sich alle Gedankengänge beim ersten Lesen sofort erschließen. Mehr­maliges Lesen einzelner Textpassagen wird wohl notwendig sein, ebenso gelegentlich kreative Pausen, in denen das Gelesene bei einem Spaziergang in freier Natur überdacht werden sollte.

Das wäre wohl auch ganz im Sinne des Autoren, hat er sich doch selbst sein Wissen, wie es scheint, auf langen Spaziergängen erarbeitet.

Für den Leser ein wenig verwirrend thematisiert er am Ende des Buches „Die Glückseligkeit“, die alle angeht und wozu jeder Einzelne etwas sagen kann. Glück ist nach seiner Meinung eine subjektive Empfindung und selten von langer Dauer. Ereignisse werden im Bewusstsein eingeschätzt und bewertet.

In einer Welt des steten Wandels ist die Vorstellung eines linear gleichbleibenden Glücksgefühls töricht, so der Autor. Am Ende seines Buches lässt der Autor die Figur Meinder die Feststellung treffen „I am now totally confused – but on a higher level“.


Wolfgang Oehlke,
Westfälische Nachrichten 29.03.2003